Eine der großen Herausforderungen bei der Immobilienfotografie ist der große Kontrastumfang bei Innenaufnahmen. Scheint draußen die Sonne, ist es unmöglich, sowohl den Innenraum als auch den Blick aus den Fenstern korrekt mit einem Foto abzulichten.Im schlimmsten Fall ist das eine zu dunkel und das andere zu hell.
Auch die neuesten Kameras besitzen nicht den Dynamikumfang unserer Augen. Dazu kommt, dass sich unsere Augen beim Betrachten der realen Szene an die jeweilige Helligkeit des gerade fokussierten Bereichs adaptieren, was der Kamera bei der Fotografie so nicht möglich ist.
Bei meinen Seminaren und Workshops werde ich öfter darauf angesprochen, ob HDR-Fotografie (HDR = High Dynamic Range) nicht eine Antwort auf das beschriebene Phänomen ist. Bei dieser Technik werden mehrere Bilder des selben Motivs, die mit verschiedenen Belichtungszeiten und damit Helligkeiten aufgenommen wurden, vom Computer zusammengerechnet, um so zu einem Bild zu kommen, dass sowohl helle als auch dunkle Bereiche des Fotos mit ausreichender Zeichnung abbildet. Damit die verwendeten Ausgangsbilder deckungsgleich sind, empfiehlt sich die Verwendung eines Stativs bei der Aufnahme. Zwar können aktuelle Programme evtl. auftretende Unterschiede zwischen den Einzelfotografien ausgleichen, die Qualität des Endergebnisses lässt sich durch den Einsatz eines Stativs jedoch steigern.
Viele aktuelle Kameras bieten auch die Möglichkeit, direkt in der Kamera HDR-Bilder zu generieren. In einem solchen HDR-Modus werden automatisch mehrere verschieden helle Bilder erstellt und danach von der Kamera zu einem HDR-Bild zusammengerechnet. Auf die Ausgangsbilder hat man im allgemeinen keinen Zugriff mehr.
Die nebenstehenden Bilder sind mit verschiedenen HDR-Einstellungen einer modernen Kamera ohne weitere Bearbeitung erstellt. Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Bilder zum Teil eher künstlich aussehen. Darüber hinaus ist der Innenraum nicht besonders hell dargestellt. Das muss nicht in jedem Fall so sein, jedoch scheint diese Methode ohne weiteren Eingriff in die Steuerung der Kamera nicht die gewünschten Ergebnisse zu liefern. Die Belichtung manuell heller einzustellen wäre ohne Frage möglich. Damit würden aber auch die helleren Bereiche des Bildes im Fenster aufgehellt, was ja gerade nicht gewünscht ist.
Da es sich um nur eingeschränkt beeinflussbare Automatiken handelt, kommen weitere Nachteile hinzu: Die von der Kamera nach dem ihr vorgegebenen Programm gewählten Einstellungen sorgen bei dunkleren Innenräumen sehr schnell zu offenen Blenden und damit geringer Schärfentiefe, die bei Immobilienaufnahmen meistens nicht gewünscht ist. Reicht das nicht aus, um ein relativ korrekt belichtetes Bild zu generieren, erhöht die Automatik darüber hinaus die Empfindlichkeit (ISO) der Kamera, was zu erhöhtem Bildrauschen führen kann.
Einen weiteren Automatikmodus, den die verwendete Kamera bietet, ist "Gegenlicht-HDR". Hierzu auch der Vergleich (links "Programmautomatik", rechts "Gegenlicht-HDR"):
Bei der rechten Aufnahme ist der Innenraum etwas heller dargestellt. Im Bereich des Fensters ist weniger Zeichnung zu finden. Darüber hinaus fehlt dem von der Kamera aus drei Bildern zusammengesetzte Foto der äußere Bereich, der auf dem Einzelbild zu sehen ist, ein nicht zu unterschätzender Nachteil, da man in Innenräumen häufig damit kämpft, möglichst viel aufs Bild zu bekommen. Der gleiche Effekt tritt übrigen auch bei den zuvor beschriebenen HDR-Modi auf.
Dieser Nachteil, der nicht zwangsläufig bei jedem Kameramodell auftreten muss, kann umgangen werden, indem man eine Belichtungsreihe mit geeigneten Einstellungen aufnimmt und diese mit einer HDR-Software am Computer nachträglich zusammenfügt. Bei korrekt gewählten Parametern lässt sich hiermit ein recht realistisches Bild erstellen, auf dem sowohl Innen- als auch Außenbereich angemessen belichtet sind, ähnlich dem Bild rechts.Weniger geeignete Einstellungen können zu solchen Bildern wie ganz oben dargestellt führen.
Alternativ lässt sich mit Hilfe einer Belichtungsreihe auch manuell ein Bild zusammenstellen. Dazu
wählt man je ein Bild aus der Reihe aus, das der korrekten Belichtung des jeweiligen Bereichs (innen oder außen) am nächsten kommt. Die beiden Bilder werden in einem Bildbearbeitungsprogramm auf zwei Ebenen übereinander gelegt. Aus dem oberen auf den Innenraum korrekt belichteten Bild wird das Fenster "herausgeschnitten", wodurch der Blick auf den Außenbereich auf dem hierfür korrekt belichteten Bild fällt. Beide Ebenen - Innen- und Außenbereich - lassen sich unabhängig voneinander bearbeiten. Hierdurch ist es möglich, das Bild so zu gestalten, dass es den Eindruck vor Ort möglichst genau widergibt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man mit HDR-Aufnahmen bei entsprechender Parameterwahl dem Wunsch nach angemessen belichteten Innenaufnahmen näher kommen kann. Der häufig geäußerte Wunsch, automatisch zu guten Ergebnissen zu kommen, wird aber auch von dieser Technik nicht befriedigt. Auf eine korrekt eingestellte Kamera sowie eine angemessene Nachbearbeitung kann auch hierbei nicht verzichtet werden. Zumindest um die manuelle Einstellung der Bildhelligkeit kommt man nicht herum.
Kommentar schreiben