Was „darf“ man bei der Retusche/Nachbearbeitung von Immobilienfotos?

 

Während bei der analogen Fotografie nur mit größerem Aufwand Nachbearbeitung und Retusche möglich sind, ermöglichen zahlreiche Programme in der digitalen Fotografie sehr einfach auch umfangreichere Bearbeitung der Fotografien. Im Bereich der Peoplefotografie sind diese sehr weit verbreitet. Hier ein einfaches Beispiel:

 

 

Das linke Bild kam so aus der Kamera. Für das rechte Bild wurden verschiedene Anpassungen durchgeführt. Unter anderem:

 

  • Helligkeit/Kontrast angepasst
  • Sättigung erhöht
  • Vignette eingefügt
  • Bild nachgeschärft
  • Kamerabeschriftung entfernt
  • Stirn leicht entknittert
  • rechtes Bein abgedunkelt
  • Augen und Augenhöhlen aufgehellt
  • Schultern etwas weniger rund
  • Hals rechts etwas aufgehellt

Das rechte Bild wirkt gefälliger. Ein großer Teil der heutzutage veröffentlichten Bilder von Personen werden weitaus umfangreicher nachbearbeitet als in diesem kleinen Beispiel. Da man die abgebildeten Personen zumeist nicht in der realen Welt aus der Nähe sieht, ist eine Überprüfung, ob die Abbildung „korrekt“ ist, nicht möglich.

 

Wie sieht es bei Fotografien von Immobilien aus? Wird dort auch nachgearbeitet? Sollte man nachbearbeiten? Wieviel kann/darf man nachbearbeiten?

 

Ja, selbstverständlich wird auch bei professionellen Fotografien im Immobilienbereich nachbearbeitet. Das war schon in analogen Zeiten so, trotz des hohen Aufwands.

 

Ja, man sollte nachbearbeiten. Hierzu eine Gegenüberstellung zweier Fotos aus dem Immobilienbereich. Das linke Foto wieder so aus der Kamera, das rechte Foto wurde bearbeitet:

 

 

Würde man lieber rechts oder links einziehen? Folgende Schritte wurden unter anderem durchgeführt:

  • Die senkrechten Linien wurden ausgerichtet,
  • der genaue Ausschnitt gewählt,
  • das Bild insgesamt aufgehellt,
  • der Himmel ausgetauscht,
  • Farben angepasst,
  • ein paar Teile des Bildes noch einmal aufgehellt.

Auch hier sieht das rechte Bild gefälliger aus. Es wurde jedoch nichts weggenommen, hinzugefügt oder verändert, dass dazu führen würde, dass der Betrachter vor Ort zu dem Schluss käme, das Gebäude wäre auf dem Bild nicht korrekt dargestellt.

 

Die Helligkeit kann je nach Sonnenstand und Wetterlage stark variieren. Gleiches gilt für die Farben. Es gibt sicher Augenblicke, in denen das Gebäude in der Realität ähnlich aussieht wie auf dem rechten Bild dargestellt. Die stürzenden Linien auf den linken Bild sind physikalisch bedingt und kommen daher, dass die Kamera während der Aufnahme nicht genau senkrecht ausgerichtet war. Mit unseren Augen nehmen wir solche stürzenden Linien in der Wirklichkeit nicht wahr.

 

Auch das Bild, das direkt aus der Kamera übernommen wurde, stellt eine Interpretation der Wirklichkeit dar. Das bedeutet, dass ein nicht bearbeitetes Bild nicht immer näher an der Realität wein muss, als ein bearbeitetes.

 

In diesem Beispiel spricht alles für das bearbeitete Bild. Der Unterschied zwischen dem bearbeiteten und dem nicht bearbeiteten Bild kann den Unterschied zwischen Nachfrage nach einen Besichtigungstermin (mit evtl. folgendem Abschluss) oder eben nicht ausmachen. Je gefälliger die Bilder, desto größer das Interesse nach der Immobilie. Selbstverständlich muss die Immobilie für sich sprechen, wenn jedoch einen Besichtigungstermin gar nicht erst zustande kommt, weil die Bilder nicht ansprechen, wird der Verkauf schwer.

 

Was darf man bearbeiten? Das ist erst einmal eine juristische Frage. Hierfür wäre ein Jurist zu konsultieren.

 

Grundsätzliche Rechtsfragen, die mit der Fotografie zu tun haben, beantwortet z. B. Herr Wolfgang Rau in verschiedenen Podcasts. Herr Rau ist als Vizepräsident und Justiziar des Deutschen Verbandes für Fotografie (DVF) e.V. zuständig für alle Rechtsfragen des Verbandes. Hier ein Link zur Youtube-Version eines Podcasts, bei dem Herr Rau neben anderen Themen von Zeit zu Zeit juristische Fragen bzgl. der Fotografie beantwortet.

 

https://www.youtube.com/user/blende8

 

Über den juristischen Teil hinaus ist es natürlich auch eine Frage, ob man die gewünschte Wirkung erzielt. Farbsättigung erhöhen, Helligkeit anpassen, stürzenden Linien korrigieren, unschöne Bestandteile wegschneiden oder einen freundlicheren Himmel einbauen führt im Allgemeinen zu einem gefälligeren Bild, solange man hier nicht übertreibt.

 

Im Innenraum sorgt die Bearbeitung erst für einen natürlichen Ausdruck des Bildes. Der starke Kontrast zwischen Innenraum und den Fensterflächen ist im Allgemeinen von der Kamera nicht aufzulösen, unserem Auge gelingt es im allgemeinen. Oft kommt man erst durch die Aufnahme von verschieden hellen Bildern und der späteren Zusammenführung zu einer natürlichen Darstellung des Raumes. Durch Wegstempeln von Gegenständen, die man während der Aufnahme übersehen hat, kommt man zu einem aufgeräumteren Bild. Hier ein Beispiel dafür:

 

 

Die Stehlampe, die von links in der Raum hineinragt, stört. Das „Wegstempeln“ dieses Objekts wird bei einem späteren Besichtigungstermin nicht auffallen, da die Lampe nicht fest mit der zu veräußernden Liegenschaft verbunden ist.

 

Vorsicht ist jedoch geboten, wenn fest mit der Liegenschaft verbundene Teile virtuell entfernt werden sollen. Es ist immer besser, vermooste Einfahrten und Vorgärten in der realen Welt zu reinigen, genau wie verschmutzte Terassen, die dann spätestens beim Besichtigungstermin negativ auffallen.

 

Bei Graffitis in der Außenansicht oder Flecken, die auf Feuchtigkeitsschäden hinweisen, sollte man die virtuelle Entfernung grundsätzlich ausschließen, sondern eine nachhaltige Verbesserung in der Realität herbeiführen – völlig unabhängig von ggf. nicht vorhandenen juristischen Vorgaben.