Warum ist das Bild schief?

In meinen Seminaren gehe ich darauf ein, wie wichtig die genaue Ausrichtung der Kamera ist, um Bilder zu erstellen, bei denen die Senkrechten auch wirklich senkrecht abgebildet werden. 

 

Gestern erreichte mich eine Nachfrage einer Teilnehmerin meiner letzten Schulung zu diesem Thema. Da ich offensichtlich diese Thematik noch nicht gut genug erklärt habe, erläutere ich sie noch einmal an dieser Stelle.

 

Das Bild rechts ist ein typischer Fall: Das Gebäude scheint nach links umzufallen. Erstaunlich ist dabei, dass das Geländer am rechten Rand des Bildes senkrecht steht während das Foto zum linken Rand hin immer schräger wird. Was ist hier passiert?

Das Bild zur Rechten zeigt den selben Raum. Die Kamera war weder nach unten oder oben geneigt noch links- oder rechtsherum verdreht. Entsprechend ist das Bild weder verdreht noch kommt es zu stürzenden Linien. Das Bild entspricht weitestgehend unseren Sehgewohnheiten.

Richtet man nun die Kamera nach oben, entstehen stürzenden Linien. Die Senkrechten werden nicht mehr senkrecht und damit parallel dargestellt sondern streben von oben nach unten betrachtet auseinander (links der Türrahmen, rechts das Geländer). Der Effekt ist umso größer, je weiter sich die Senkrechten am Rand des Bildes befinden.

 

Das entspricht nicht unseren Sehgewohnheiten.

Neigt man die Kamera nach unten, kommt es ebenfalls zu stürzenden Linien. Hier streben die Senkrechten von oben nach unten betrachtet näher zusammen. Auch das entspricht nicht unseren Sehgewohnheiten.

 

Bei unserem Ausgangsbild ist es genauso: Die Senkrechten streben von oben nach unten betrachtet näher zusammen. Zusätzlich wurde die Kamera noch verdreht.

Offensichtlich hat der Fotograf des ersten Bildes die Kamera nach unten geneigt. Die Senkrechten streben von oben nach unten betrachtet zusammen. Um das zu kompensieren, wurde nicht die Neigung der Kamera verändert, sondern die Kamera um die Objektivachse soweit gedreht, dass das Geländer am äußersten rechten Rand senkrecht abgebildet wird. Die Folge ist jedoch, dass der Türrahmen auf der linken Seite noch schräger steht.


Stellt man das Ausgangsbild dem mit waagerechter Kameraausrichtung gegenüber, so wirkt das letztere harmonischer, da es weitestgehend unseren Sehgewohnheiten entspricht. Fotos wie unser Ausgangsbild entstehen häufig, wenn man die Kamera ohne Nutzen eines Stativs in Augenhöhe auslöst. Aus dieser Höhe neigt jeder die Kamera nach unten, da sich hier Fußboden und Möbel befinden, die für uns normalerweise interessanter sind als die Decke eines Raumes. Es ist also besser, mit der Kamera weiter herunter zu gehen, um sich dem unteren Dingen im Raum zu nähern, und die Kamera nicht zu neigen.

 

Weicht ein Bild von unseren Sehgewohnheiten ab, ist es schwieriger zu interpretieren. In Architekturzeitschriften und z.B. Möbelkatalogen sind Fotos mit stürzenden Linien die ganz große Ausnahme. Auch in Exposés haben solche Fotos nur selten etwas zu suchen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0